November 15, 2024

Die Phasen des Heilungsprozesses

Wenn du erkennst, dass du Opfer eines Narzissten geworden bist, durchläufst du sehr wahrscheinlich die folgenden psychologischen Prozesse:

Verwirrung und Zweifel

Zu Beginn entsteht ein Gefühl der Verwirrung, da das narzisstische Verhalten oft sehr subtil begonnen hat. Du hinterfragst dich häufig und grübelst darüber, ob das Verhalten wirklich manipulativ ist oder ob du dem Narzissten vielleicht Unrecht tust. Häufig flüchtet man sich in kognitive Dissonanz oder versucht, die Probleme zu rationalisieren.
Kognitive Dissonanz tritt oft dann auf, wenn das eigene Bild der Person nicht mit deren tatsächlichem Verhalten übereinstimmt. Diese innere Spannung führt zu Verwirrung, doch das Bewusstwerden dieses Konflikts kann helfen, Manipulation zu erkennen.
Gewonnene Erkenntnisse, die gereift und verinnerlicht wurden, lassen sich schließlich nur schwer „entlernen“. Das gelingt nur bei jenen, die grundsätzlich kognitiv dissonant sind.
Da bei den meisten Narzissten jedoch die gewünschte Weiterentwicklung, Einsicht oder gar Reue ausbleibt, kommst du immer wieder an den Punkt, an dem du dich der traurigen Realität stellen musst.

Selbstzweifel und Schuldgefühle

Du wirst dazu neigen, dir selbst die Schuld zu geben oder deine eigene Wahrnehmung infrage zu stellen, besonders wenn der Narzisst mittels „Gaslighting“ gezielt deine Wahrnehmung, Erinnerung oder dein Urteilsvermögen angezweifelt hat, um dich an deinem Verstand zweifeln zu lassen. Dies geschieht oft durch subtile Methoden wie das Leugnen von Ereignissen, das Verdrehen von Tatsachen oder das Unterstellen, dass du überempfindlich, irrational oder dich einfach nur falsch erinnerst.
Es kann hilfreich sein, zu verstehen, dass der Narzisst solche Manipulationsmethoden oft schon seit seiner Kindheit trainiert hat.
Auch wenn dich zermürbende Fragen quälen, sei dir gewiss: Du konntest nicht spüren, dass er dich anlügt, weil er seiner eigenen Darstellung selbst glaubt. Diese Erkenntnis führt dich zur nächsten Phase:

Erkenntnis und Wut

Sobald dir der Umfang der Manipulation bewusst wird, tritt oft eine Phase intensiver Wut und Rachsucht ein. Dir wird klar, wie tief dein Vertrauen missbraucht wurde. Lass dich jedoch davon nicht vergiften oder auf einen dunklen Pfad führen, und gib dich nicht der Vorstellung hin, dass du einen Narzissten besiegen könntest – auch wenn die Fantasie verlockend erscheint.
Letztlich solltest du dir die Frage stellen: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Wenn du noch Zugriff auf die schriftliche Kommunikation hast, sichere diese und arbeite sie durch, um jedes verdrängte Ereignis und jede unschöne Situation, in der du zähneknirschend nachgegeben hast, noch einmal zu reflektieren.
Ja, das tut weh – und das muss es auch. Doch es wird dir helfen, ein besseres Verständnis für dich selbst zu entwickeln und bereitet dich auf die nächste Phase vor:

Selbstreflexion

Begleitet von der Wut beginnt auch eine Phase intensiver Selbstreflexion. Es geht nicht nur darum, zu verstehen, wie dich der Narzisst manipuliert hat, sondern auch darum, zu erkennen, welche eigenen Bedürfnisse oder Überzeugungen sein Verhalten möglicherweise begünstigt haben.
Man muss erst wissen, was man nicht will. Deswegen hilft Reflexion, zukünftige Manipulationen schneller zu erkennen, persönliche Grenzen bewusster zu setzen und nach und nach eine Resilienz dagegen zu entwickeln.

Trauer und Verlustgefühl

Egal, ob es sich um den Partner, die Freundin, den Kollegen, eine Bekannte oder deinen Chef handelt – du wirst einen Verlust spüren und vielleicht auch trauern. Du trauerst um die Beziehung und das Vertrauen, das du in eine Person gesetzt und verloren hast. Der Verlust einer Täuschung bzw. eines vermeintlich sicheren Umfelds schmerzt.
Doch eine „Ent-Täuschung“ ist an sich nichts Schlechtes: Dir wird eine Täuschung genommen, was bedeutet, dass die Illusion gegen einen klaren Blick auf die Realität eingetauscht wird! Nun beginnt die Phase der:

Rekonstruktion des Selbstwerts

In dieser Phase arbeitest du daran, das durch die Manipulation beschädigte Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Da du bereits erkannt hast, dass der Narzisst dich bewusst manipuliert hat und dir das bereits verziehen hast, lernst du, dir wieder zu vertrauen und deine Selbstachtung zu stärken.
Eine wichtige Ressource für diesen Prozess ist Selbstfürsorge: Der Austausch mit vertrauenswürdigen Personen, das Lesen von Fachliteratur, der Besuch einer Selbsthilfegruppe oder einer Therapie können dein Selbstbewusstsein stärken und dir helfen, eine emotionale Resilienz aufzubauen. Nach und nach lösen sich die irrationalen Ängste, die dich gefangen hielten – was dich bereit macht für die letzte Phase deiner:

Heilung und Distanzierung

Abschließend entwickelt sich eine emotionale Distanzierung zum Narzissten. Du setzt Grenzen und distanzierst dich emotional, mental und letztlich auch physisch – einfach gesagt, du trennst dich. Dieser Schritt beinhaltet auch die Vorbereitung auf mögliche Rückfälle in alte Gefühle wie Wut oder Trauer. Diese Rückschläge sind normal und lassen sich durch das bewusste Wiederholen erlernter Bewältigungsstrategien meistern.

Langfristige Wachsamkeit und Grenzen setzen

Nach der Heilung ist es ratsam, wachsam zu bleiben, um sich vor ähnlichen Erfahrungen in Zukunft zu schützen. Die Rückkehr in ein toxisches Unternehmen ist nicht ratsam, denn du hast dich bereits weiterentwickelt, während dort alles beim Alten geblieben ist.

Am Ende deiner Reise wirst du narzisstische oder manipulative Verhaltensmuster erkennen und aktiv Grenzen setzen können, die dich in deinem neuen Selbstbewusstsein stärken und vor zukünftigen Manipulationen schützen.