November 17, 2024

Kognitive Dissonanz, wieso Weglaufen nichts bringt

Kognitive Dissonanz tritt bei Opfern von Narzissten auf, wenn ihre Wahrnehmungen, Überzeugungen oder Werte nicht mit dem Verhalten oder den Erfahrungen übereinstimmen, die sie mit ihrem Narzissten gemacht haben. Dies führt zu einem inneren Konflikt, da das Opfer versucht, die Widersprüche zu rationalisieren oder aufzulösen. Konkret passiert Folgendes:

Idealisierung und Abwertung:

Der Narzisst verhält sich anfangs charmant und liebevoll (Love Bombing), was das Opfer glauben lässt, dass die Beziehung positiv ist.
Wenn später Abwertung und seelischer Missbrauch folgen, entsteht ein Konflikt zwischen der anfänglichen idealisierten Wahrnehmung und der Realität des schädlichen Verhaltens.

Rationalisierung des Missbrauchs:

Das Opfer sucht nach Erklärungen für das Verhalten des Narzissten, z. B. „Er/Sie hatte einen schlechten Tag“ oder „Ich habe es vielleicht provoziert“. Was den empfundenen Widerspruch minimiert.

Selbstzweifel und Schuld:

Narzissten manipulieren, um das Opfer glauben zu lassen, es sei selbst schuld am Missbrauch. Dies verstärkt die Dissonanz, weil das Opfer sich zwischen Selbstbild und Schuldvorwürfen hin- und hergerissen fühlt.
Selbst wenn der Narzisst am Tag der Trennung die Kontrolle verliert, kann er es nicht lassen, dir für alles die Schuld zu geben.
Aussagen wie: „Ich finde es schade, dass du jetzt alles wegwirfst“ oder „Wir hatten doch so eine gute Symbiose“ sollen bei dir Schuldgefühle wecken!

Angst vor Konsequenzen:

Das Opfer kann die Beziehung nicht beenden, weil es Angst hat, allein zu sein ( im Falle einer romantische Beziehung), in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen (sowohl in romantischen als auch in Arbeitsbeziehungen) oder weiteren Missbrauch zu erleben.
Diese Ängste verhindern, dass sich die kognitive Dissonanz auflöst, indem man sich vom Narzissten löst.

Gaslighting:

Narzissten verdrehen die Realität, sodass das Opfer ihre eigene Wahrnehmung infrage stellen.
Dies verstärkt die innere Verwirrung und Dissonanz.

Hoffnung auf Veränderung:

Das Opfer bleibt oft, weil es hofft, dass sich der Narzisst bessert, und investiert weiter in die Beziehung, was die kognitive Dissonanz aufrechterhält.


Symbiotische Beziehung:

Narzissten drücken sich gerne so aus, dass es für beide gut klingt.
Doch wenn sie von „Uns“ oder „Wir“ sprechen, meinen sie nicht dich, sondern sich selbst.

Google sagt zur symbiotischen Beziehung:
„In einer symbiotischen Beziehung sind die Partner extrem voneinander abhängig und fühlen sich verloren oder unvollständig, wenn sie getrennt sind. Die Partner verschmelzen miteinander und verlieren oftmals ihre individuelle Identität. Sie handeln und denken nur noch im Sinne der Beziehung und sprechen in Wir-Form.“

Dabei handelt es sich um eine pathologische Form der Beziehung, welche therapiewürdig ist – doch es ist noch schlimmer!

Die Qualität der Aussage „Wir hatten doch so eine gute Symbiose“ ist ist schon fast pervers,
denn dein Narzisst ist gar nicht dazu in der Lage, seine Identität für ein „Wir“ aufzugeben, das lässt sein Ego überhaupt nicht zu. Deswegenwirfst du ja auch alles weg!“.

Je nachdem, wo du dich gerade in deinem Heilungsprozess befindest, kommt dir dies vielleicht bekannt vor.

Jetzt streue ich dir ein bisschen Salz in die Wunde.
Wir gehen also in diesem Bedarfsfall davon aus, dass du dich bereits getrennt hast und Er/Sie dich mit einem vermeintlich gut klingenden „Wir“-Satz konfrontiert hat.

Ein Symbiont kann eine parasitäre Beziehung eingehen, wenn einer der beteiligten Organismen von der Interaktion profitiert, während der andere geschädigt wird. In der Symbiose unterscheidet man verschiedene Formen, abhängig davon, wie die beteiligten Organismen interagieren:

  • Mutualistisch:
    Beide Partner profitieren voneinander.
    Naja, sind wir mal ehrlich: NEIN du hast nicht davon profitiert!
  • Kommensalistisch:
    Ein Partner profitiert, während der andere weder Vor- noch Nachteile hat.
    Wie geht’s dir jetzt? Depressionen, Burnout, Rücken kaputt oder finanzielle Not?
    Hmm, also bleibt nur die letze aller möglichen Formen:
  • Parasitär:
    Der Symbiont (Parasit) profitiert auf Kosten des Wirts, beispielsweise durch Nährstoffentzug (in romantischen Beziehungen Liebesentzug) oder andere schädigende Einwirkungen.
    Der Wirt wird dabei geschädigt (seelisch verletzt), was diese Beziehung parasitär macht.

Ein Beispiel für eine parasitäre Beziehung ist der Befall von Pflanzen durch parasitische Pilze
oder der Mensch, durch Bandwürmer. Ein Bandwurm in deiner Seele – schönes Bild. ^^

Die Dissonanz wird oft erst aufgelöst, wenn das Opfer entweder den Missbrauch vollständig erkennt und sich davon distanziert oder die manipulative Beziehung verlässt und beginnt, die Geschehnisse unabhängig zu reflektieren.

Leider ist es bei besonders empathischen Menschen so, dass sie emotional bereits verstanden haben, was in der Liebes- oder Arbeitsbeziehung schieflief. Sie treten deshalb den Rückzug an, um sich zu schützen, machen aber allzu oft den Fehler, das Erlebte lieber zu verdrängen, anstatt es zu reflektieren.
Wer möchte schon gerne ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass immer zwei dazu gehören und dass man eine Mitverantwortung trägt?

Wieso du jetzt allerdings nicht die kognitive Dissonanz zulassen solltest, zeigt dir eine Geschichte aus meinem Leben:
Nachdem ich eine 13 Jahre andauernde, toxische On-Off-Liebesbeziehung zum Selbstschutz beendet hatte, war es mir möglich, offenen Narzissmus direkt zu erkennen.

Meine Alarmglocken schrillen, wenn ich auf narzisstische Persönlichkeiten stoße. Als Empath fühle ich das schon von weitem. So kam es also dazu, dass ich vor mehr als einem Jahrzehnt ein Vorstellungsgespräch bei einem offenen Narzissten hatte und erneut in die Falle ging.
Die Charmeoffensive am Tag des Vorstellungsgesprächs hatte gesiegt. Ich habe auf das Bauchgefühl nicht vertraut. Warum? Weil kognitiv dissonant!

Ab meinem ersten Arbeitstag wurde immer deutlicher, wo ich da gelandet war.
Der Chef war ein offener Narzisst vom Typ Einschüchterer. Die Sekretärinnen hatten eine ganz üble Hackordnung. Das Klima war von Angst geprägt, über allem standen instrumentalisierte „Flying Monkeys“, die natürlich nicht zu einem besseren Klima beitrugen:

„Als Geschäftsführer setze ich mich vor allem für meine Mitarbeiter ein und dafür, dass wir ein gesundes Wachstum anstreben.“

Bedeutet sicher nicht das, was du da liest. Vermutlich bedeutet es: Wachstum, Wachstum, Wachstum – oder mehr, mehr, mehr!

Anyhow, kurz darauf habe ich in einem ehrlichen Schreiben, in dem ich von Vertrauensverlust sprach, um die Kündigung gebeten. Man ließ mich gehen.
In dieser kurzen Zeit habe ich so viel zwischenmenschlich Verwerfliches erlebt. Einfach unbeschreiblich – von emotionaler Erpressung bis Mobbing war wirklich alles dabei. Das volle Spektrum menschlicher Abgründe.

Jetzt magst du vielleicht denken: Hmm, ist doch alles gut gelaufen, oder nicht?

NEIN, ist es nicht!

Kurz darauf geriet ich einem subtilen Narzissten in die Fänge. Er hat mich so schnell über den Tisch gezogen, dass mir die dabei entstandene Reibung wie Nestwärme vorkam. ^^

So lange du funktionierst, fällt das auch erst mal überhaupt nicht auf. Die Probleme zeigen sich erst später. Und du brauchst auch deutlich länger, um zu realisieren, was falsch läuft!

Natürlich spielt auch die Intelligenz eines Narzissten eine entscheidende Rolle dafür, wie erfolgreich sie mit ihren Übergriffen sind. Weniger intelligente Narzissten neigen zu verbaler Gewalt und tendieren daher dazu, auch eher offene Narzissten zu sein.

Die Übergänge sind hier fließend. Aber eines sollte dir klar sein: Hast du nicht aufgearbeitet und reflektiert, wieso du offen für narzisstischen Missbrauch bist, kannst du so oft weglaufen, wie du willst. Irgendwann kommt einfach einer, der noch intelligenter ist als der davor, und schon fällst du rein – und das Spiel beginnt von Neuem.

Ja, du kannst weglaufen und dich dazu entscheiden, kognitiv dissonant zu sein.
Aber sei dann wenigstens so ehrlich zu dir selbst und frage dich, ob du schlau genug bist,
immer intelligenter als dein Chef zu sein. ^^

Zum Thema „Wie intelligent sind Narzissten?“ schreibe ich demnächst noch einen gesonderten Beitrag.